Healthcare-Marketing – Treiber für Zukunftsfähigkeit

Kein Fortschritt ohne Risiko. Keine Zukunft ohne Fragezeichen. Evolution ist nicht auf-
zuhalten. Und das ist auch gut so. Nur wer sich diesen Heraus­forderungen immer wieder stellt, kann die Zukunft mit­bestimmen. Schnellig­keit, Kreati­vität, Flexi­bilität und Offenheit sind die Schlüssel zum erfolgreichen, zukunfts­fähigen Healthcare-­Marketing.

Unser Netzwerk Worldwide Partners, das weltweit größte der inhaber­geführten Agenturen, hat im Mai unter dem Motto „celebrating the past, shaping the future“ 75 jähriges Jubiläum gefeiert. Dabei haben bekannte Redner wie Salim Ismail oder David Bosshart gemeinsam mit den Worldwide Partnern lang­fristige und mittel­fristige Zukunfts­szenarien entworfen. Zusätzlich haben sich 20 Strategen aus den Healthcare Agenturen des Netz­werkes über Trends der Pharma- und Healthcare­industrie in den einzelnen Ländern aus­getauscht.

Mehr Chancen als Risiken

Der Blick in die Zukunft ist faszinierend und beängstigend zugleich. Alle waren sich jedoch einig, dass trotz aller Risiken die Chancen überwiegen – wenn man sie denn nutzt. Dazu muss man nicht so fortschritts- und technikgläubig sein wie Salim Ismail von der im Silicon Valley angesiedelten Singu­larity Universität, der in der Gesundheits­wirtschaft exponentielles Wachs­tum in folgenden Bereichen sieht:

  • Information & Data Driven Health- Big Data für mehr Wissen und Kennt­nisse zur Ver­besserung von Diagnose,Vor­sorge und Therapie
  • Personalized Medicine & Omics: von der System Medizin bis zur synthetischen Bio­logie und DIY- Genomic
  • Regenerative Medicine: von der Zell­therapie bis zur Rege­neration von Glied­massen bis zu 3D Printing- Produk­tion von Organen
  • Interventions: von robotergestützter Chirurgie, smarten Pillen, gezielter, persönlicher Gentherapie bis zur Nanomedizin
  • Neuromedicine vom Real Time Brain Imaging, zu BCI, zu gezielter Neurointervention
  • Med Tech, Biotech & Enterpreneur­ship: von Kosten­ersparnis­programmen zur schnelleren und effek­tiveren Ent­wicklung


David Bosshart vom Dutt­weiler Institut in der Schweiz zeigte sich ebenfalls optimistisch, er be­urteilt jedoch die Zukunft aus Gesell­schafts­sicht und damit etwas differenzierter. Demgemäß wird alles schneller: Wir werden schneller kauen, dadurch verändern sich Zähne. Wir arbeiten und re­agieren schneller mit unseren tablets und smart phones, dadurch verändert sich Haltung und Finger­fertigkeit. Wir werden schneller schlafen. Es gibt neue Hilfsmittel und medizinische Geräte in immer kürzeren Ab­ständen, aber auch neue Krank­heiten. Wir werden kreativer und effizienter, ob mit direkter Hilfe neuer Tech­nologien oder mit Hilfe neuer Interaktionen mit Freunden oder Fremden via cloud sourcing. Die Entwicklung neuer Produkte be­schleunigt sich, aber sie sind auch schneller veraltet, über­holt.

Nur die Starken und Wandel­baren werden überleben

Damit verkürzen sich auch die Halbwerts­zeiten von Unter­nehmen immer mehr, wie ein anderer Redner anmerkte:
IBM hatte 30 Jahre bis die erste große Krise kam. Da es eine bekannte Marken­persönlichkeit war, überlebte das Unter­nehmen, während andere, zuerst technisch innovativer, von noch schnelleren Entwicklern oder von Kopierern überholt wurden und verschwanden. Heute haben auch innovative Unter­nehmen wie Facebook & Co nur wenige Prosperitäts­jahre, es sei denn sie erfinden sich regelmässig neu. Auch wenn man den Zeithorizont etwas enger fasst, bleiben immer noch vielfältige und zum Teil tief­greifende Veränderungen, die es für die Pharma- und Health­care- Industrie zu bewältigen gilt. Zunehmende ordnungs­politische Re­gulierung, fragmentierte Zielgruppen und verstärkter Kostendruck stellen die Marktteilnehmer immer wieder vor neue Herausforderungen. Big Pharma wird nach Meinung der Teilnehmer zukaufen, fusionieren und/oder diversifizieren, denn Entwicklungskosten und Dauer für Produktinnovationen erreichen nie da gewesene Ausmaße. Blockbuster sind nicht zu erwarten, sondern eher Nischenprodukte. Biotechnologie bietet Perspektiven. Biosimilars und Generika können gewinnen. Integrierte Therapiemodelle werden immer wichtiger, ebenso personalisierte Medizin und Präventivmedizin. Die Diskutanten waren der Überzeugung, dass der Healthcare– und Wellcare-Bereich wachsen wird, ebenso wie Lifestyle-Medikamente und OTC, denn Verbraucher suchen verstärkt nach Möglichkeiten, ihr allgemeines Wohlbefinden zu verbessern- zumindest in hoch entwickelten und kaufkraftstarken Gesellschaften.

Neues Denken – in Richtung Marketing und Kommunikation

Mit dem verstärkten Kostendruck stehen natürlich auch wieder einmal die Marketingbudgets auf dem Prüfstand, vor allem die für die klassischen Maßnahmen aus der Vergangenheit. Aber gerade für die Marketing-Zukunft gilt: Es gibt gleichzeitig viele neue Chancen, denn die Notwendigkeit zum Marketing­denken steigt. Die Veränderungen fordern ein neues Denken – in Richtung Marketing und Kommuni­kation.

  • Weniger Produkt­innovation: Das muss durch Marketing und Prozess­innovationen ausgeglichen werden“ so zitierte ein Teil­nehmer aus einer ME-Booz-Studie
  • Neue Geschäftsfelder und Geschäfts­modelle: Da kann und muss Marketing dabei sein und wertvolle Inputs liefern
  • Die Zielgruppen verschieben sich: Auf der einen Seite rücken Kosten­träger in den Mittel­punkt, d.h. die Zusammen­arbeit mit den Kranken­kassen und damit gesundheitsökonomisches Marketing wird immer relevanter
  • Die Rolle der Patienten verändert sich: Sie informieren sich immer stärker und nehmen damit mehr Einfluss auf die Medikamentenwahl. Mit der Entwicklung von der Kranken- zur Gesundheitsvorsorge und zum selbstbestimmten Patienten wird dieser zum Verbraucher, vor allem wenn es sich um Produkte handelt, die nicht verschrieben und erstattet werden. Damit braucht es mehr Kompetenz in verbraucherorientiertem Marketing und in der Social Media-Kommunikation
  • Auch die Kommunikation zu Ärzten und Apo­theken wird weiterhin ihre Bedeutung haben, wenn auch in anderer Form. Die Teil­nehmer teilten nicht die Meinung von V. Khosla, denn S. Ismail zitierte, dass 80% aller Ärzte überflüssig sein werden, zumindest nicht in den nächsten 5 Jahren. Ärzte und Fach­leute brauchen aber Unterstützung in ihrer Interaktion und Kommuni­kation mit den Patienten
  • Weitere Zielgruppen rücken ins Zentrum wie Regulierungs­behörden, Verbände, Medien, Patienten­organisationen. Da gilt es durch Transparenz das Vertrauen in die Pharma-­Industrie wieder herzustellen

All diese Veränderungen, die bereits am Horizont zu erkennen sind, erfordern eines: Kreative und starke Marketing­leiter und Berater, die ihre Per­spektive einbringen. Die neue Maßnahmen und einen neuen Kommunikationsmix denken. Also genug zu tun. Packen wir es gemeinsam an.

Dieser Artikel erschien zuerst in Health­care Marketing. Juni 2013 unter dem Titel: Über den Tag hinaus gedacht