Digitalisierung ist kein Hexenwerk

Die Corona-Pandemie hat die Notwendigkeit der digitalen Transformation weiter beschleunigt. Der Veränderungsprozess ist wichtiger denn je, weil bisherige Geschäftsmodelle an die Grenzen ihres Wachstums stoßen – gerade mittelständische Unternehmen sind davon stark betroffen, stellt auch die BSP Business School Berlin in ihrem Leitfaden „Mittelstand im Wandel“ fest. Trotzdem ist der Wandel an vielen Stellen noch zu langsam. Die Zurückhaltung liegt manchmal auch in der Überforderung begründet, nicht zu wissen, wo man anfangen und wo die Reise eigentlich hingehen soll – dabei gilt auch hier: Jeder Schritt zählt und sei er noch so klein. 

„Ein Viertel der Mittelständler führt unverändert keine Digitalisierungsaktivitäten durch.“

(KfW-Digitalisierungsbericht Mittelstand 2021) 

Auch die digitale Reise beginnt mit dem ersten Schritt 

Der Grundbaustein der digitalen Transformation ist die Digitalisierung von Kernprozessen innerhalb der Organisation, die maßgeblich dazu beiträgt, Abläufe zu optimieren und dadurch effizienter zu gestalten. Dabei wird die Digitalisierung vor allem durch die Verknüpfung von Schnittstellen, die Reduzierung von Bürokratie sowie die stetige Weiterentwicklung vorangetrieben. In den meisten Unternehmen gibt es ja für alles einen Prozess – gern auch zu viele davon – oft also jede Menge Bürokratie und noch sehr viele „händische“ Abläufe. 

Mitarbeiter sind davon häufig frustriert und haben keine Lust mehr, Prozesse überhaupt auszuführen. Schlimmstenfalls sind sie so beschäftigt mit dem Prozess, dass wenig Zeit und Energie für inhaltliche Arbeit bleibt. Dabei sollten interne Prozesse eigentlich Sicherheit geben und Komplexität reduzieren. Im Unternehmen existieren viele Bereiche, die relativ einfach optimiert und automatisiert werden können. Hat man die nervigsten Zeitfresser identifiziert, helfen oft einfache Automatisierungslösungen – und schon ist die Digitalisierung auf den Weg gebracht. Idealerweise verabschiedet man sich dabei auch gleich von überflüssigen Prozessen und schneidet ein paar alte Zöpfe mit ab.

Teilweise gibt es bereits einfach zu implementierende Tools für bestimmte Anwendungsfälle, teilweise können konkrete Prozesse für das Unternehmen auf einfache Art digitalisiert werden. Einige Beispiele sind:

  • Kommunikation und Kollaboration: z. B. Einsatz von Aufgabenmanagern und Projektmanagement-Tools
  • Dokumentenmanagement: Digitale Abbildung ehemals papiergebundener Dokumente, zum Beispiel der Reisekostenabrechnung, Erfassung von Daten in einer zentralen digitalen Quelle uvm.
  • Administrative und kaufmännische Prozesse: z. B. Automatisierung der Rechnungsprüfung
  • Marketing: Nutzung von CRM-Systemen, Online-Kommunikationskanälen und Marketing Automation Tools


Die Vereinfachung durch die Digitalisierung hilft nicht nur dabei effizienter zu werden, sie sorgt auch für weniger Fehler und erhöht das Outcome in Bezug auf den Input. So gewinnen Mitarbeiter mehr Zeit für ihre wirklichen Aufgaben können wieder mehr aus ihrem Knowhow für das Unternehmen machen. Ein zentraler Nebeneffekt ist, dass die Organisation auch von einfachen Prozessdigitalisierungen profitiert und beständig dazulernt. So wird eine Basis geschaffen, die das Unternehmen schrittweise an eine neue Arbeitsweise heranführt. 

„Die Einführung digitaler Technologien kann dazu beitragen, den Fortschritt bei der Erreichung von Unternehmenszielen wie finanziellen Erträgen, personeller Vielfalt und Umweltzielen um 22 % zu steigern.“

(Deloitte, 2020)

Der Kunde im Zentrum 

Ein zentraler Faktor der digitalen Transformation ist natürlich die Interaktion mit dem Kunden. Dabei ist es durchaus sinnvoll, sich erst dann der Interaktion mit dem Markt und den Kunden zuzuwenden, wenn interne Prozesse bereits umgestellt wurden. Denn wenn Geschäftsprozesse und Kundeninteraktion digitalisiert werden, braucht es idealerweise bereits eine interne Struktur, die bereit dafür ist und optimal darauf reagieren kann. 

Dabei setzt nicht zuletzt auch die Zielgruppe mit ihren Erwartungen den Maßstab für die Entwicklung der Organisation. Der Website kommt in diesem Kontext übrigens besondere Bedeutung zu – sie ist nicht mehr nur Schaufenster und Visitenkarte sondern vielmehr der entscheidende Treiber von Wachstum und Geschäft. Diese Rolle kann sie aber nur mit einer überzeugenden Userexperience, durchdachten Leadgenerierung oder reibungslosen Kaufprozessen erfüllen, die digital vernetzt sind mit Kunden- und Leadmanagement, Auftragsabwicklung, After Sales etc. 

Lieber realistisch bleiben

Realistische Ziele und Machbarkeit sind dabei ein kritischer Faktor für alle Digitalisierungsbestrebungen. Letztlich kommt es nicht nur darauf an, die Zielgruppe und die Kunden im Blick zu haben, sondern von Anfang an auch die Mitarbeiter miteinzubeziehen, da sie diejenigen sind, die die Transformation mit Leben füllen und die neuen Prozesse und Arbeitsweisen umsetzen und verinnerlichen müssen. Kulturelle Aspekte spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle für eine erfolgreiche Digitalisierung und für die digitale Transformation eines Unternehmens als Ganzes.

Eine Frage der Reife 

Bei der Planung der richtigen Schritte und dem Aufsetzen einer Digitalisierungs-Roadmap hilft es, den digitalen Reifegrad einer Organisation – vom digitalen Anfänger bis zum Experten – zu ermitteln. Bei der Reifegradanalyse wird der IST Zustand definiert und dem SOLL Zustand, der durch die Erwartungen der Zielgruppe und die Marktentwicklung vorgegeben wird, gegenübergestellt. Eine differenzierte Betrachtung entlang verschiedener Dimensionen, Bewertungskriterien und Perspektiven erlaubt ein umfassendes Bild der Stärken und Schwächen einer Organisation. Dabei ist das Bild meist sehr heterogen, da sich die einzelnen Bereiche hinsichtlich ihres Reifegrads in der Regel deutlich unterscheiden. Das Big Picture erleichtert es, für jede Dimension den nächsten sinnvollen Schritt zu definieren, der genau da ansetzt, wo der größte Nachholbedarf besteht und der größte Effekt erzielt werden kann. 

Letztlich ist das Ganze kein Hexenwerk, wenn man schrittweise vorgeht, um die Organisation nicht zu überfordern und Gelerntes direkt in den nächsten Schritt einfließen kann. Wie groß die jeweiligen Schritte sind und was das richtige und jeweils angemessene Tempo ist, definiert letztlich jedes Unternehmen für sich. Hauptsache, es macht sich auf den Weg.

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