Nachhaltigkeit als Innovationstreiber: Warum ESG mehr als Berichtspflicht ist

Dr. Reiner Czichos, erfahrener Experte für Transformation, Ideation, Coaching und Changemanagement, bringt seine umfassende Expertise im Bereich Nachhaltigkeit ein und teilt seine Überlegungen zu den weitreichenden Aspekten von ESG.

Mit den folgenden Gedanken beklage ich, dass sich Unternehmen über die ESG-Nachhaltigkeitspolitik mit all den Berichtspflichten und Regularien und der damit aufgezwungenen Bürokratie beklagen. Denn eigentlich kann ESG einen Innovationsschub auslösen. ESG gibt dem Innovationsmanagement eine Richtung vor: Nachhaltigkeit.

Ohne Innovationen wie z.B. Optimierung von Prozessen, Technologien, Rollen/Aufgaben, Produkten/Services, etc.) verkommt Nachhaltigkeit zum Einhalten von Regeln auf Biegen und Brechen und zum bürokratischen Reporting mit der Gefahr von Greenwashing-Zahlen. Echtes Nachhaltigkeitsmanagement ist also immer Change- und Innovationsmanagement.

Echtes Nachhaltigkeitsmanagement ist also immer Innovations- und Changemanagement. Diese Tatsache gerät in den oft wenig nachhaltig geführten Diskussionen gerne und leicht in den Hintergrund. Ein Nachhaltigkeitsmanager wird installiert und der bzw. die wird das Thema schon managen. Hier ist es mir wichtig, den folgenden Unterschied ganz deutlich zu machen: Einen Nachhaltigkeitsmanager zu installieren ist ein Kinderspiel verglichen damit, Nachhaltigkeitsdenken und -handeln und also Nachhaltigkeitsmanagement nachhaltig zu installieren. Mehr als ein Wortspiel: Nachhaltigkeitsmanagement setzt nachhaltiges Management voraus.

In vielen Unternehmen muss sich daher wohl die Unternehmens- und Führungskultur deutlich ändern. Nachhaltiges Nachhaltigkeitsmanagement setzt Prozess- statt Silo-Denken bei Mitarbeitern und Führungskräften voraus. Nachhaltigkeitsspirit ist mehr als Sonntagspredigt und den Energieverbrauch sowie die Kopierkosten zu senken und umweltfreundliches Papier zu verwenden.

Nachhaltigkeitsspirit bedeutet, das Verhalten aller (Mitarbeiter inkl. Führungskräfte) zu ändern. Nachhaltigkeitsmanagement braucht also Change- und Innovationsmanagement.

Da geht es nicht nur um Energieverbrauch, Emissionen, nachhaltige Rohstoffe, und ähnliches. Wenn Unternehmen wirklich nachhaltiger werden sollen, dann bedeutet das notwendigerweise: Veränderungen!

Nachhaltigkeitsziele müssen integraler Bestandteil der Unternehmensziele sein. Um nachhaltige Unternehmensziele zu erreichen, braucht es Innovationen in IT-Systemen, Prozessen, Produkten und Services, etc. Mehr noch bzw. sogar grundlegend: Die Unternehmens- und Führungskultur muss entsprechend ausgebaut werden.

Es braucht ein integrales Konzept für das Nachhaltigkeitsmanagement statt „machen wir hier mal etwas (mehr) Nachhaltigkeit, und dort, aber dort geht das (noch) nicht.

Und das alles kann und wird für viele Personen bedeuten, dass sich ggf. ihre Rollen, Aufgaben und ihre „Arbeitsmittel“ ändern. Und damit immer noch nicht genug: Viele/alle müssen ihr Verhalten anpassen. Und da tun sich, das weiß jeder, viele schwer … und es dauert …

Eine besondere Herausforderung für viele Unternehmen: Das Daten-Sammelsurium. ESG-Reporting-Bürokratie kann signifikant erleichtert werden, wenn die eigentlich sowieso notwendigen Info- und Daten-Systeme durchdacht sind und funktionieren. Wenn und solange man Nachhaltigkeit nur als Datensammeln und Berichtspflichten sieht, vertut man sich die Chance zu sinn- und wertevollen Innovationen. Technische Lösungen dafür sind relativ schnell gefunden. Wesentlich länger dauert es aber, die Menschen im Unternehmen „umzupolen“ vom Silo- bzw. Revierdenken zum Prozessdenken, weg von „meine Daten, deine Daten“.

Es braucht in diesem meinem Gedankenfluss nur einen kleinen Hinweis darauf, dass Nachhaltigkeitsmanagement sich tatsächlich auszahlt … das ist häufig genug ausgerechnet, bewiesen und veröffentlicht worden.

Da ist aber noch etwas, was häufig vergessen wird. Mit nachhaltiger Nachhaltigkeit können Unternehmen ihr Image bei MitarbeiterInnen und bei Kunden und Partnern und Lieferanten bzw. auf dem Markt ausbauen bzw. optimieren. Dazu braucht es ein nachhaltiges Nachhaltigkeitsbranding, das sich am Ende dann auch in Profit auszahlt.

Fazit:

Nie war Innovations- und Changemanagement also wichtiger als gegenwärtig und in Zukunft, nicht nur um in den gesetzlich geforderten Nachhaltigkeitsberichten ehrlich über Fortschritte berichten zu können, sondern um überhaupt Fortschritte bei der Krisenbewältigung zu machen und gleichzeitig den wirtschaftlichen Wohlstand zu erhalten.

Innovationsmanagement hat durch ESG und Nachhaltigkeitsziele ein konkretes Zielbild: Innovationen nicht (nur), um Profit zu steigern, sondern um die ESG-Ziele zu erreichen … und auf diesem Weg effizienter und effektiver zu werden … und dadurch mehr Profit zu generieren.

Und schließlich zum Schluss noch eine kleine „Spitze“ gegen den Glauben, dass die alleinige Installierung eines Nachhaltigkeitsmanagers in einer untergeordneten Stabsfunktion alle Probleme löst.  Da bestimmt man gerne eine junge, ambitionierte Person, neu im Unternehmen (Neue Besen kehren gut). Der oder die ist aber meist dann „eine arme Wurst“, wenn sie keine wirkliche „Macht-Basis“ hat und „nur“ noch mehr Papierkram einfordern muss. Die besten Erfolgsaussichten bestehen, wenn die Geschäftsleitung zusammen mit Marketing und IT die Nachhaltigkeitsziele in den Unternehmenszielen und in der Unternehmensstrategie verankern und ein Team von Change Agents bzw. Change Coaches inkl. des Nachhaltigkeitsmanagers installiert wird, deren Charter es ist, zusammen mit allen Mitarbeitern*innen die anstehenden Innovationen und Veränderungen aktiv zu treiben und zu unterstützen. Selbstverständlich müssen dann diese Nachhaltigkeitsziele auch runtergebrochen werden und in den persönlichen Zielen der Menschen ( OKR = objectives and key results) vereinbart werden.

Autor

Dr.Reiner Czichos

Er ist langjähriger Collaborations-Partner von Wächter bei vielen Change- und kreativen Transformations-Projekten. Er begleitete in den letzten Jahren ein Forschungsprojekt der Donau Universität Krems und der Universität Cottbus, das unter der Überschrift  „SME and Sustainability“ stand. Resultate sind in mehreren wissenschaftlichen Publikationen wie z.B.im Journal „Sustainability“ oder bei Springer  in: „Nachhaltigkeit und Digitalisierung – (k)ein unternehmerisches Dilemma“ veröffentlicht.