Nachhaltige Webentwicklung: Digitale Verantwortung für Unternehmen
Der rasante Fortschritt digitaler Technologien bringt nicht nur Innovationen, sondern auch erhebliche ökologische Herausforderungen mit sich.
Wäre das Internet ein Land, so wäre es der sechstgrößte Stromverbraucher der Welt hinter Russland, Japan, China, Indien und den USA. Mit etwa 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen pro Jahr kommt das Internet auf die gleiche Menge wie die Luftfahrtindustrie, die oft im Fokus der öffentlichen Kritik steht. Ein bedeutender Anteil dieser Internet-Emissionen wird durch den Betrieb von Webseiten verursacht – bedingt durch den Energiebedarf von Rechenzentren, Netzwerken und insbesondere durch die Nutzung der Endgeräte. Das verdeutlicht nicht nur das Ausmaß des Umweltproblems, sondern auch den enormen Handlungsspielraum, den viele Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsbemühungen noch nicht vollständig ausschöpfen.
Webseiten werden immer größer
In den letzten zehn Jahren hat sich die durchschnittliche Größe einer Webseite mehr als verdoppelt. Dieser Trend ist hauptsächlich auf die Nutzung von Bildern, Videos, Animationen und Trackingsystemen zurückzuführen, die für die meisten Unternehmen zur Norm geworden sind, um dem Marktstandard gerecht zu werden. Entwicklungstools werden immer zugänglicher und ermöglichen dadurch ein einfaches und schnelles Erstellen hochwertiger Inhalte. Umfangreichere Seiten können jedoch auch längere Ladezeiten verursachen, was sich nicht nur negativ auf die Nutzererfahrung auswirkt, sondern auch zu höheren CO₂-Emissionen führt. Eine durchschnittliche Website mit monatlich 10.000 Seitenaufrufen kann dabei jährlich bis zu 211 kg CO2 erzeugen, was der Menge entspricht, die etwa 105 Bäume in einem Jahr absorbieren können.
Dem Trend entgegenwirken
Der Bedarf an zukunftsorientierten Lösungen im Web scheint offensichtlich. Doch die Lösung ist komplexer, als das bloße Reduzieren der Emissionen und verlässt schnell den Bereich des Messbaren. Nachhaltiges Webdesign umfasst nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und soziale Dimensionen. Eine nachhaltig gestaltete Webseite vereint Umweltschutzgrundsätze mit Effizienz-, Web- und Benutzerfreundlichkeitsstandards. Dabei geht es sowohl um die Reduzierung der durch die Webseite verursachten Emissionen als auch um eine verantwortungsbewusste Gestaltung von Inhalten und eine nachhaltige Unternehmensführung.
Verfügbarkeit von Inhalten:
Wie schnell können die Nutzer die gewünschten Inhalte finden? Wie nützlich sind diese Inhalte?
Web Performance-Optimierung:
Wie schnell werden Assets auf Endgeräten geladen?
Usability
Wie schnell können Tasks geräte- und plattform-übergreifend durchgeführt werden?
Green Web Hosting:
Werden Server mit erneuerbaren Energien betrieben?
Kunden und Projekt-Ethos:
Was wird mit der Webseite beworben oder verkauft?
Unternehmens-führung:
Wie verkörpert das Unternehmen diese Grundsätze in seiner Tätigkeit?
Gutes UX ist wichtig
Einige der ökologischen Maßnahmen, wie beispielsweise der Wechsel zu Green Hosting oder Maßnahmen zur Reduktion von Daten und Ladezeiten, lassen sich ohne größeren Aufwand umsetzen und liefern schnell messbare Ergebnisse. Tools wie Ecograder ermöglichen die Messung und Analyse der Energieeffizienz und Umweltbelastung einer Webseite. Dabei werden Kohlenstoffemissionen in Bezug auf die Nutzung von Verbrauchergeräten, Netzwerken und Rechenzentren geschätzt.Ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist hierbei, dass die Nutzung von Endgeräten durch die Nutzer einen deutlich größeren negativen Umwelteinfluss hat als die der Rechenzentren. Daher reicht es nicht aus, nur die Effizienz des serverseitigen Codes zu optimieren.
Ebenso wichtig, jedoch schwerer zu messen ist die Benutzerfreundlichkeit (User Experience/UX). Wenn Nutzer ihre Ziele auf einer Webseite schnell und effizient erreichen, führt dies zu weniger unnötigen Serveranfragen und reduziert den Energieverbrauch. Eine hohe Absprungrate hingegen, die durch eine schlechte Benutzererfahrung verursacht wird, führt zu zusätzlichen Serveranfragen oder gar zum Wechsel des Endgeräts. Während technische Tools die Energieeffizienz des Codes messen, bleibt die subjektive Nutzererfahrung oft unberücksichtigt. Eine nachhaltige Webseite ist letztlich immer auch eine, die dem Nutzer eine positive und effiziente Erfahrung bietet.
Die Zukunft ist digital– und nachhaltig
Nachhaltige Webentwicklung muss nicht im Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit stehen – oft gehen beide Hand in Hand. Zwar sind nachhaltige Maßnahmen wie die Optimierung der Website-Komplexität oder die Umstellung auf Green Hosting mit anfänglichen Herausforderungen und Investitionen verbunden, jedoch zeigen sich langfristige Vorteile für die Umwelt und auch für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
Effizient gestaltete Webseiten bieten ein verbessertes Nutzererlebnis, kürzere Ladezeiten und eine klare Struktur – Aspekte, die auch von Suchmaschinen belohnt werden. Dies führt zu einer besseren Sichtbarkeit und damit im besten Fall auch zu höheren Konversionsraten.
Indem Unternehmen auf nachhaltige Technologien setzten, tragen sie nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern schöpfen auch ihr volles digitales Potenzial aus. Nachhaltigkeit im Web bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig langfristig tragfähige Vorteile für Unternehmen, Nutzer und die Umwelt zu schaffen.
Autorin
Louisa Terbrack
Sie ist Digital Consultant bei Wächter und Teil des Digital-Teams, das gemeinsam die Webseiten von Kund*innen zukunftsfähig gestaltet. Dabei konzentriert sie sich auf aktuelle Themen wie die Einbindung von Künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Mit ihrem Team entwickelt sie maßgeschneiderte digitale Lösungen, die technische Effizienz und ökologische Verantwortung miteinander verbinden.
Weblinks:
https://httparchive.org/reports/page-weight?start=2012_10_01&end=latest&view=list
https://www.webneutralproject.com/the-problem
https://www.greenit.fr/wp-content/uploads/2019/11/GREENIT_EENM_etude_EN_accessible.pdf
https://ecograder.com
https://www.mdpi.com/2078-1547/6/1/117
Datum: Oktober 9, 2024